Saisonal konnte Schleswig-Holstein in den letzten Jahren insbesondere in der Vor- und Nebensaison zulegen, während sich die Sommermonate auf einem hohen Niveau stabil zeigten. Bei den Betriebstypen bestätigten der Ferienwohnungs- und der Campingmarkt ihre Bedeutung für das Reiseland, die Hotellerie legte wieder zu.
Dennoch sollten sich Tourismusakteure nicht auf den Erfolgen ausruhen, sondern dynamisch und engagiert weiterhin mit konsequenter Marktorientierung in Qualität, Innovation und Infrastruktur investieren. Die politisch Verantwortlichen auf den unterschiedlichen Ebenen sind aufgefordert, die Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten.
Angesichts der multiplen Krisen und einer starken Verunsicherung halten sich die Menschen in Deutschland mit Konsumausgaben zurück und das Konsumklima erholt sich nur langsam. Die größten Herausforderungen für die Tourismusbranche werden derzeit im Arbeitskräftemangel und den gestiegenen Kosten gesehen. Hans-Jürgen Lütje, Vorsitzender des Touris-musverbands Schleswig-Holstein schätzt die Situation wie folgt ein: „Fast drei Viertel der deutschsprachigen Bevölkerung planen für 2024 eine Urlaubsreise fest ein. Die Aussichten für ein erfolgreiches Tourismusjahr sind daher grundsätzlich positiv. Allerdings sind Investitionen in die Qualität und ein kritischer Blick auf die Preisstellung unerlässlich, um den Gästen auch weiterhin ein ansprechendes Preis-Leistungsverhältnis zu bieten.“
Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird durch die Reisenden immer kritischer bewertet und die Erwartungen an die Qualität steigen. Die durchschnittlichen Zimmerpreise 2023 lagen nach Daten von STR Global in der schleswig-holsteinischen Hotellerie bei knapp 125 Euro, 0,8 Prozent unter dem Rekordniveau aus 2022, aber gut 30 Prozent über dem Wert von 2017. Blickt man auf die Kostenseite, so wären rund 25 Prozent notwendig gewesen, um in einem durchschnittlichen Hotel die Kostensteigerungen auszugleichen. Aufgrund des geringeren Personal- und Wareneinsatzes hätten die Preise im Ferienwohnungssegment kostenseitig während der Hochinflationsphase der letzten Jahre lediglich um rund 5 Prozent steigen dürfen.
Somit ist ein sensibler Balanceakt gefragt, um nicht in ein Hochpreisimage abzurutschen und Marktanteile ans Ausland zu verlieren Die Zahlungsbereitschaft der Gäste ist (noch) vorhanden, aber ein Kipppunkt mit Blick auf die Zahlungsmöglichkeiten scheint erreicht. Gerade mit Blick auf die unterschiedlichen Zielgruppen und Saisonverteilungen in den Betrieben braucht es ein gutes Augenmaß zwischen kostenseitig notwendigen Preissteigerungen und der Akzeptanz der Gäste. Dies zeigen die Ergebnisse des diesjährigen Sparkassen-Tourismusbarometer Sonderthemas „Preissteigerungen und Ausgabebereitschaft“.
Tourismusminister Madsen: „Die Leitformel lautet: Optimistisch in die touristische Zukunft blicken, die gebotenen Chancen ergreifen und Herausforderungen aktiv gestalten. Die Warnsignale sollten alle Beteiligten im Blick behalten. Die Touristiker sind gefordert, ihre Angebote den Marktbedingungen anzupassen - die entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen liegen im Verantwortungsbereich der Politik.“
Auch aus den elektronischen Bilanzdaten der Sparkassen lassen sich Warnsignale ablesen: Bis Ende 2022 sank die Gewinnmarge des schleswig-holsteinischen Gastgewerbes trotz gestiegener Preise um 7,4 Prozentpunkte und damit stärker als bundesweit. Oliver Stolz, Präsi-dent des Sparkassen- und Giroverbandes: „Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist insgesamt unbefriedigend. Dafür sprechen neben der Stimmung auch einige Fakten. Zwar ist die Inflationsrate innerhalb der letzten 12 Monate gesunken, aber das allgemeine Wirtschaftswachstum stagniert. Der Abfall der Eigenkapitalquote im Gastgewerbe ist bedenklich. Bun-desweit betrachtet bildet Schleswig-Holstein hier das Schlusslicht. Für die Bonität der Betriebe ist die Eigenkapitalquote jedoch entscheidend. Je höher diese ausfällt, desto leichter wird es, ein Darlehen für Investitionen aufzunehmen, die z.B. im Zusammenhang mit der Transforma-tion auch auf die Tourismusbranche zukommen.“
Ambivalent zu bewerten sind laut Madsen die Zahlen des Arbeitsmarktes: „2023 arbeiteten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 85.515 Personen im schleswig-holsteinischen Gastgewerbe. Das waren 2,9 % mehr als im Vorjahr. Kritisch zeigt sich die Situation des Arbeitsmarktes dagegen an der Auszubildenden-Statistik. Denn jede vierte Ausbildungsstelle bleibt im Gastgewerbe in Schleswig-Holstein unbesetzt.“ Bedingt durch den demografischen Wandel, kombiniert mit dem wachstumsbedingt steigenden Personalbedarf wird das Gastgewerbe noch stärker auf ausländische Mitarbeitende zurückgreifen müssen. Der Blick auf den aktuellen Anteil ausländischer Beschäftigter im Gastgewerbe in Schleswig-Holstein offenbart Potenziale. „Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Politik die Weichen neu gestellt und auch für das Gastgewerbe die Zuwanderung erleichtert“, so der Tourismusminister.
Stolz ergänzt: „Weltoffenheit ist die Grundlage für Willkommenskultur und ein Gastgeberver-ständnis, das die Bezeichnung Gastfreundschaft auch verdient. Dies gilt nicht nur gegenüber den Gästen, sondern ist auch für den Arbeitsmarkt und den Tourismus als attraktivem Arbeitgeber ein wichtiger Faktor.“
Hans-Jürgen Lütje stellt fest: „Über das Modellprojekt Kennzahlen kann das Sparkassen-Tourismusbarometer anhand der Meldescheinstatistik den gesamten Übernachtungsmarkt einschließlich des wichtigen Segmentes der Betriebe unter 10 Schlafgelegenheiten abdecken: Die Zahlen aus der Meldescheinstatistik in den Modellorten lagen 2023 unter dem Niveau der amtlichen Statistik (+1,3 %).
Dies deutet auf eine gesunkene Nachfrage bei den Kleinstvermieter:innen unter 10 Schlafgelegenheiten hin. Nachdem der Ferienwohnungsmarkt der Gewinner der Corona-Pandemie war, kehrt die Nachfrage zu alten Reisemustern zurück. Einflussfaktoren wie die Preisentwicklung in Kombination mit der gebotenen Qualität oder Entwicklungen auf der Angebotsseite könnten hier ebenfalls eine Rolle spielen. Investitionen in die Qualität und ein kritischer Blick auf die Preisstellung sind wichtige Stellschrauben für die Vermieter:innen. Allerdings ist eine pro-aktive Tourismuspolitik des Landes als Rahmen für kommunales und unternehmerisches Handeln unerlässlich.“